Roman Rösch ist Geschäftsführer der Deutschen Schulakademie mit Sitz in Berlin. Knapp zehn Jahre war der ausgebildete Lehrer und promovierte Pädagoge für die Robert Bosch Stiftung tätig und verantwortete dort zuletzt als stellvertretender Bereichs- und Gruppenleiter die Bildungs- und Schulprogramme der Stiftung. Von Beginn an baute er den ›Deutschen Schulpreis‹ auf und steuerte in den letzten Jahren den Ausgründungsprozess der Akademie. Seit 2015 ist Roman Rösch Geschäftsführer der Deutschen Schulakademie.
»Es braucht auch die Zivilgesellschaft, um Schule zukunftsfähig zu gestalten.«
Herr Rösch, wenn Sie Außenstehenden die Aufgaben und Ziele der Deutschen Schulakademie vorstellen, was ist Ihnen bei solchen Gelegenheiten besonders wichtig zu kommunizieren?
Unser Ansatz ist, mit den ausgezeichneten Konzepten der Preisträgerschulen des Deutschen Schulpreises zu arbeiten. Wir bereiten diese gute Praxis mit Hilfe der Wissenschaft auf und machen den Transfer an alle Schulen möglich, die sich weiterentwickeln möchten. Wir bieten professionelle Bildungsangebote für Lehrkräfte, Schulleitungen und das weitere pädagogische Personal an Schulen an und beziehen uns dabei auf Themen, die sowohl schulintern als auch gesellschaftspolitisch relevant sind. Dieser besondere Ansatz ist in der deutschen Bildungslandschaft einmalig.
Die Deutsche Schulakademie (DSA) wird von der Robert Bosch Stiftung und der Heidehof Stiftung finanziert. Was waren die Anlässe und Impulse, 2006 einen Deutschen Schulpreis auszuloben?
Anlass war der PISA-Schock 2001. In den darauffolgenden Jahren wurde ausschließlich mit einem schwächenorientierten Blick auf das deutsche Schulsystem geschaut. In der Robert Bosch Stiftung wussten wir aber durch unsere langjährige Arbeit mit Schulen, dass es auch hierzulande viele gute Schulen gibt, die etwas bewegen und die ein Vorbild für andere sein können. Diese Schulen haben wir mit dem Deutschen Schulpreis ins Rampenlicht geholt. Mittlerweile wurden 85 Schulen mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet.
Die DSA ist aus dem Deutschen Schulpreis hervorgegangen. Vor zwei Jahren kam das Deutsche Schulportal hinzu. Was hat diese dynamische Entwicklung befördert?
Unser Ziel ist, die Beispiele guter Praxis in die Schullandschaft zu tragen. Das Deutsche Schulportal ist als Online-Plattform ein sehr gut geeignetes Medium, um eine breite Fachöffentlichkeit zu erreichen und für Schulentwicklung zu interessieren. Auf dem Schulportal findet man erfolgreiche Konzepte aus der Praxis der Preisträgerschulen, Materialien zum Download und darüber hinaus aktuelle Themen der schulischen Bildung. Das Angebot wird sehr gut angenommen: In diesem Jahr haben bereits mehr als eine Million Interessierte das Deutsche Schulportal besucht. Das ist ein schöner Erfolg.
Wäre die Prämierung herausragender Schulqualität und die Kommunikation von best practice in einem staatlichen Bildungssystem nicht eigentlich auch eine staatliche Aufgabe?
Schule ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, es braucht auch die Zivilgesellschaft, um sie zukunftsfähig zu gestalten. Wir verstehen uns als Partner der bestehenden Institutionen der Lehrkräftebildung, nicht als ›Lückenfüller‹ oder gar Konkurrenz. Unser Ziel ist, gemeinsam mit gebündelten Kräften noch mehr Schulen in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Dazu suchen wir die Zusammenarbeit mit kompetenten Partnern wie dem Ev. Bildungszentrum Bad Bederkesa, die ihre regionale Expertise in unsere Fortbildungen einbringen. Auf diese Weise entstehen sehr fruchtbare Kooperationen.
»Für mehr gute Schulen« – so lautet der Slogan der DSA. Wie resümieren Sie die Ergebnisse und auch Erfolge der Akademie? Oder anders gefragt: woran erkennen Sie, dass mehr Schulen durch Ihr Engagement besser geworden sind?
Grundsätzlich erhalten wir sehr viele positive Rückmeldungen von unseren Teilnehmerschulen, aber auch von unseren Kooperationspartnern. So haben wir auch mit Verlaub von Ihnen ein gutes Feedback zu unseren gemeinsamen Projekten Werkstatt ›Schule leiten‹ und Pädagogische Werkstatt ›Lernen‹ bekommen. Grundsätzlich legen wir aber auch großen Wert auf die Wirkungsmessung unserer Fortbildungen. Unsere längerfristigen Angebote, das sind insbesondere Werkstätten und Netzwerkangebote, lassen wir seit 2017 im Pilotdurchgang umfassend extern evaluieren. Die Ergebnisse dieser Evaluationsstudien nutzen wir, um unsere Angebote weiterzuentwickeln und zu optimieren. Die Zufriedenheit mit unseren Veranstaltungen erfassen wir mit Fragebögen, um aus dem Feedback der Teilnehmenden zu lernen. Die ersten Ergebnisse der Evaluationen bestätigen, dass unsere Angebote Schulen wirksam in ihrer Entwicklung unterstützen können.
Schule hat sich in den Siebziger/Achtziger Jahren in produktiver Spannung von gesellschaftlich definiertem Reformbedarf, politischem Modernisierungswillen und universitärer Experimentierfreude rasant entwickelt. Täuscht der Eindruck, dass den auf Schule bezogenen Akteuren heute vielfach Lust und Elan an Experiment und Visionen vergangen sind? Hat die DSA den Anspruch, hier eine Leerstelle zu besetzen und sich bildungspolitisch zu positionieren?
Ja, man hat leider manchmal den Eindruck, dass vor allem viele bildungspolitisch Verantwortliche auf die aktuellen Herausforderungen eher mit einer ›Regelungswut‹ reagieren und schulpolitische Experimente vermeiden. Ganz anders die Schulen in unserem Preisträgernetzwerk. Je nach Schülerschaft gehen sie außergewöhnliche Wege und interpretieren die ein oder andere Vorgabe großzügig im Sinne der Kinder und Jugendlichen vor Ort. Diesen Geist wollen wir auch in unseren Angeboten vermitteln. Wir laden alle Schulen ein, mit uns Experimente im Sinne einer Schule von morgen zu wagen. Uns ist aber auch klar, dass wir dabei immer wieder an Grenzen des bestehenden Systems stoßen und uns mit diesen Erfahrungen auch in die bildungspolitische Debatte einbringen müssen. Das erwarten auch unsere Preisträgerschulen.
Lehrkräfte werden in der Regel von Lehrkräften ausgebildet, fortgebildet und administriert. Damit gehört das System Schule zu den wenigen gesellschaftlichen Bereichen, die sich quasi selbstreferentiell genügen. Die Anforderungen des Lebens und Arbeitens bewegen sich heute in interdisziplinären Kontexten, in komplexen Netzwerken. Wie nehmen Sie diesen ›gap‹ zwischen Schul- und Lebenswirklichkeit wahr, und spielt diese Fragestellung in der DSA eine Rolle?
Wie bei allen anderen Berufstätigen profitieren auch Lehrkräfte von einem Blick über den eigenen Tellerrand. Gerade Quer- und Seiteneinsteiger sind für Schulen eine Chance auf wertvolle Impulse von außen. Auch wir holen bei unseren Veranstaltungen wie Foren oder bei unserem Online-Format ›Digitale Impulse‹ gerne die Perspektive aus den unterschiedlichsten Bereichen der Gesellschaft ein. Meiner Erfahrung nach hapert es aber eher an einer anderen Stelle im deutschen Fortbildungs- und Unterstützungssystem für Schulen: Wir haben zu wenige gute Praktikerinnen und Praktiker, die im Austausch mit der Wissenschaft gute Fortbildungen für Lehrkräfte entwickeln. Das geschieht zu oft fernab der schulischen Realität und an den Bedarfen der Schulen vorbei. Wir wollen die Perspektive der gelingenden Praxis stärken und gemeinsam mit erfahrenen Praktikern die ›next best practice‹ in die Lehrkräftefortbildung einbringen.
Lässt sich nach bald 15 Jahren Deutscher Schulpreis ein Konzentrat dessen beschreiben, was eine gute Schule heute ausmacht?
Meine Erfahrung ist, dass jede Schule eine gute Schule sein kann, unabhängig von Schulart, Standort und der Zusammensetzung ihrer Schülerschaft. Der Schlüssel für eine gute Schule liegt aber fast immer in der schulinternen Kooperation. Wie arbeiten die Lehrkräfte zusammen? Schaffen sie es, gemeinsam im Team Unterricht vorzubereiten und sich auf ein gemeinsames Leitbild zu verpflichten? Sehen die Lehrkräfte die Schule auch als ihren ganztätigen Arbeitsort über die Zeit im Unterricht hinaus? Dies sind beispielhaft Schlüsselfragen, die gute von schlechten Schulen unterscheiden. Gute Schulen haben außerdem immer Schulleitungen, die bezogen auf Unterrichtsqualität stringent steuern. Ohne eine gute Schulleitung ist Schulentwicklung nicht machbar.
Schule ist eine gesamtgesellschaftliche Gestaltungsaufgabe. Was sind aus Ihrer Sicht die zentralen bildungspolitischen Fragen, die wir auf Zukunft hin gemeinsam als Gesellschaft zu beantworten haben?
Durch die Digitalisierung steht uns Wissen heute rund um die Uhr zur Verfügung. Statt sich auf die klassische Wissensvermittlung zu konzentrieren, muss Schule jungen Leute heute vermitteln, wie man gut zusammenlebt und sich selbst nötiges Wissen aneignen kann. Die Rolle der Schulen als Orte der persönlichen Begegnung in einem inklusiven System, in dem jedes Kind und jeder Jugendliche respektiert wird und einen Platz hat, wird in Zukunft zudem immer wichtiger. In der Schule müssen die Schüler und Schülerinnen darüber hinaus lernen, wie man die Welt verändern kann und welche Rolle sie dabei spielen können. Sie sollten am Ende ihrer schulischen Laufbahn Komplexität verstehen, sich für Werte entscheiden und solidarisch handeln können. Schule zu einem solchen Lernort weiterzuentwickeln – das ist für mich eine zentrale schulpolitische Aufgabe.
Interview: Jörg Matzen