Mojib Latif ist einer der bekanntesten Klimaexperten Deutschlands. Er ist Professor am Leibniz-Institut für Meereswissenschaften an der Universität Kiel.

»Ich lasse das Auto stehen«

Szenarien sehen weite Landstriche im Elbe-Weser-Dreieck in stetig steigenden Fluten versinken. Nach Berechnungen des Weltklimarates könnte der Meeresspiegel bis 2100 bis zu 1,40 Meter steigen. Was sagen Sie zu diesen Voraussagen, Herr Latif?

Ich denke, der Meeresspiegel wird bis zu einem Meter steigen, einen halben Meter durch die Erderwärmung, und dann kommt es darauf an, was aus Grönland an Schmelzwasser noch dazukommt. Aktuelle Studien zeigen ja, dass dieser Prozess schneller und dramatischer verläuft, als wir angenommen haben.

Kann es passieren, dass eine Stadt wie Cuxhaven nicht zu halten ist und verlegt werden muss?

Das kann schon sein …

Und wie halten wir diese Entwicklung konkret auf?

Indem wir die Weltwirtschaft komplett auf erneuerbare Energien umstellen. Je früher wir damit anfangen, desto besser.

Was hat die Politik zu tun?

Sie muss die Rahmenbedingungen schaffen und den Druck erhöhen.

Und wie geht das?

Ich meine, es darf keine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke mehr geben und keine weiteren Kohlekraftwerke. Sonst kommen Wirtschaft und Technik nicht ins Handeln.

Kriegt die Wirtschaft denn die Trendwende so schnell hin?

Wenn die politischen Rahmenbedingungen verlässlich sind, kriegt sie das hin. Die Wirtschaft ist so innovativ, so kreativ. Sie könnte heute schon ein Solarkraftwerk in der Sahara bauen oder in Spanien, das große Teile der weltweit benötigten Energie produziert.

Die Lösung heißt also europäische Energiewirtschaft?

Ja, wir müssten europaweit ein virtuelles Kraftwerk anbieten mit Sonne, Wasserkraft, Wind oder auch Erdwärme. Wenn im Norden nicht die Sonne scheint, erhalten wir sie aus dem Süden.

Was kann der private Haushalt contra Klimawandel tun?

Ich habe mir zum Beispiel angewöhnt, mit dem Bus oder dem Fahrrad in die Stadt zu fahren. Das spart Geld und ist stressfrei.
Außerdem kann jeder in seinem Haushalt locker zehn Watt einsparen. Bei 40 Millionen Haushalten spart dies ein ganzes Kraftwerk ein. Bei 20 Watt sind es schon zwei Kraftwerke und so weiter… Und außerdem: man kann umstellen auf Öko-Strom, auch das spornt an.

Sie sagen, Maßnahmen gegen den Klimawandel erhöhen die Lebensqualität. Wieso?

Weil man Geld spart, in einer gesunden Umwelt lebt und mit dem Auto nicht im Stau steht.

Und was wird aus dem Spaß, ein dickes Auto zu fahren?

Das ist nicht schick, das ist verantwortungslos.

Das Gespräch führte Jörg Matzen.

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